Page 19 - ZSG Bordmagazin 2020 - Zürichsee Schifffahrt
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Vice Versa
Ein neugieriger Hotelier, ein kommunikativer Kapitän, eine Portion Zufall, viel gegenseitige Sympathie und Wertschätzung. Das reicht, um aus Fremden Freunde zu machen.
Eigentlich wollte Daniel Kost ja nur schnell an Bord des MS Panta Rhei einen kurzen Augenschein nehmen. Eigentlich ... Denn auf dem Schiff trifft der Direktor des Hotel Belvoir auf den Kapitän Ernst Rimensberger – und aus dem kurzen Augen- schein wird zuerst eine Stunde, dann ein halber Tag. Aber alles der Reihe nach. Das Hotel Belvoir in Rüschlikon thront ja fast wie ein Adlerhorst über dem Zürichsee; und wenn die Gäste aus dem Fenster schauen, dann sehen sie bis hinauf zu den Glarner Alpen. Und natürlich auf die Schiffe auf dem See. «Eines Tages packte mich der Gwunder», erzählt Kost. «Ich wollte wissen, wie es im Bauch eines solchen Schiffes aussieht, was es braucht, um die 1200 PS richtig einzusetzen. Und vor allem auch, was das für Menschen sind, die einen Grossteil ihres Lebens auf dem See verbringen.» Gesagt, gefragt, und als sich Kost und Rimensberger an diesem Tag treffen, prallen zunächst einmal zwei Welten aufeinander. Hier der gestandene Kapitän, der seit 46 Jahren auf dem See daheim ist, da der Hotelier, der seine Karriere ganz unten angefangen hat und jetzt das 4-Sterne-Superior-Hotel mit 14 Gault- Millau-Punkten leitet. Aber die beiden Familienväter verstehen sich auf Anhieb. Als Kost dann auch noch beim ersten Versuch das Kunststück schafft, das Anbindetau beim Anlanden wie ein Lasso über den Poller zu werfen, ist das Eis endgültig gebrochen.
Die Sehnsucht nach Amerika. Der Kapitän nimmt den Hotelier mit an Orte, die sonst kaum ein Fahrgast je sieht: In den Maschinenraum etwa. Aber auch ins Schiffsallerheiligste, den Steuerraum. Dabei erzählen sich die beiden, wie sie zu dem wurden, was sie heute sind. «Ich war ja Banker, Aktienhändler genauer gesagt, und als ich mit 25 Jahren entschied, eine neue Richtung einzuschlagen, dachten alle, dass ich spinne», erzählt Kost. Er gab nämlich seinen gutdotierten Beruf auf und startete eine Hotellerie-Karriere von der Pike auf. «Das war der beste Entscheid meines Lebens», sagt er. «Hätte ich nicht gewechselt, wäre ich an einer Überdosis Routine eingegangen. Heute bringt jeder Tag neue Menschen, neue Erlebnisse, neue Erfahrungen.» Kapitän Rimensberger hingegen wurde schon früh vom Seefahrervirus infiziert: «Als Fünfjähriger war ich mit meinem Vater in Genua und sah in der Dämmerung ein hell erleuchtetes Schiff.» Als dann der Papa ins dunkle Ungefähre zeigte und sagte, dass dort hinten Amerika liege und das Schiff dorthin fahren würde, war dem Buben klar, was er wollte: aufs Meer. Und nach Amerika. Doch das war in einer Zeit, als man zuerst etwas «Rechtes» lernte.
Und dann – vielleicht – später seine Träume verwirklichte. Etwas Rechtes, das war damals Maschinenzeichner. Und anstelle des Meeres wurde es schliesslich der Zürichsee. «Ich musste mich zwischen der realen Liebe zu meiner Frau und der doch unbestimmten Sehnsucht nach der Hochseeschifffahrt entscheiden», sagt Rimensberger. Das innere Tauziehen gewonnen hat die Liebe – und der Kapitän hat seine Wahl bis heute nicht bereut.
Gastfreundschaft als Herzensangelegenheit. Als langsam, aber sicher die Dunkelheit über Zürich hereinbricht, sind die beiden schon längst Freunde geworden. Im Laufe des Tages haben sie viele Gemeinsamkeiten entdeckt: die wichtigste ist wohl der Sinn für Gastfreundschaft. «Das ist nichts, was man lernen kann», sagt Kost bei einem Kaffee. Rimensberger ergänzt: «Lernen kannst du viel, und Professio- nalität ist in jedem Beruf wichtig. Doch Gastfreundschaft, die kommt von Herzen und hat mit Liebe zu den Menschen zu tun. Wenn du die nicht hast, bist du als Chef sowohl auf dem Schiff als auch im Hotel am falschen Ort.» fb
THE HOTEL MANAGER AND
THE LAKE
Daniel Kost, director of the Hotel Belvoir, used to be a banker. At 25, he decided on a radical change
of course and transferred to the hotel industry. Today, he successfully pilots the 4-star superior hotel in Rüschlikon through the seas of
time. It’s a different story for Captain Ernst Rimensberger. He had always dreamt of steering boats across
the water, even as a five-year-old.
On board the MS Panta Rhei, the two helmsmen get chatting.
hotel-belvoir.ch
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Bilder: Tom Egli