Page 11 - ZSG Bordmagazin 2022
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Mit Dampf in die Zukunft
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Glamour und Arbeitslosigkeit, Aufbruchstimmung und Zukunfts- angst, Maschinen statt Manpower, Luxus statt Einfachheit:
All das repräsentierte das Dampfschiff Helvetia, als es 1875 zu seiner Jungfernfahrt startete.
Was für eine Zeit, was für ein Schiff! Damals, in der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts, war der Aufbruch in die Belle Epoque fast mit Händen greifbar.
Alles sollte neu, besser und eben schöner werden. Auch der Verkehr und mit ihm die Schifffahrt auf dem Zürichsee. Vor diesem Hintergrund wurde die «Helvetia» gebaut. Ein Schiff, wie man es in Zürich noch nicht gesehen hatte: «Anstatt sich bei schlechtem Wetter in den fensterlosen Schiffsbau zu verkriechen, gab es Kajüten, einen Decksaufbau mit Erst- und Zweitklassesalons und gar eine Damen- toilette», weiss der Schiffshistoriker Kurt Hunziker.
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der Schiffshistoriker weiter. «Bis anhin hatten kleinere und personalintensive Ruderschiffe den Güter- und Personentransport auf dem See bewältigt. Mit dem Aufkreuzen der ‹Helvetia›, die Post, Güter und eben auch Personen beförderte, 3 brauchte es die Ruderer und ihre Boote nicht mehr oder viel weniger.» Ironie der Geschichte: Knapp 100 Jahre später holte dasselbe Schicksal die Dampfschifffahrt
ein: Die neuen Motorschiffe waren günstiger. Doch mit den Motoren verschwand die Romantik der Dampfschiffe, und darum gibt es die «Aktion Pro Raddampfer Zürich».
Trauriges Ende. Ihr ist es zu verdanken, dass die letzten Dampfschiffe auf dem Zürichsee, die «Stadt Zürich», und die «Stadt Rapperswil», weiterhin auf dem Zürichsee verkehren. Die beiden Schiffe wurden Anfang des 20. Jahrhunderts nach demselben System wie die «Helvetia» gebaut – sie war sozusagen die Mutter aller Dampfschiffe auf dem Zürichsee. Die «Helvetia» selber endete ziemlich traurig. Am Ende ihrer Karriere war sie ein vor Anker liegendes Restaurant, geriet in die Hände eines Coiffeurs und wurde 1991 schliesslich bei Nuolen versenkt. Aber wenigstens erinnert noch eine Gedenktafel dortselbst an die Belle Epoque der «Helvetia». fb
1. DS Helvetia (I) im ursprünglichen Zustand um 1878.
2. Die Arbeit im luftigen Steuerstand erforderte viel Kraft. 3. Bahnanschluss in Meilen zur Wetzikon-Meilen-Bahn.
ADVERTORIAL
Zwiespältige Aufnahme. «Die ‹Helvetia› wurde im heutigen Schiffbau-Areal in Zürich konstruiert und 1875 in Einzelteilen auf Pferdefuhrwerken an den Hafen transportiert», hat Hunziker recherchiert. Doch die Belle Epoque war nicht für alle so belle: «Eine Rundfahrt kostete anfänglich einen Franken, eigentlich konnten sich nur Vermögende eine Schifffahrt zwischen Zürich und Rapperswil leisten. Ausserdem stiess das rauchende Ungetüm auch auf Widerstand», so
DAWN OF THE BELLE ÉPOQUE
When the steam ship «Helvetia» set out on its maiden voyage in 1875,
it represented glamour and a spirit of optimism. With machines replacing manpower and luxury supplanting simplicity, this was the dawn of the Belle Époque. The «Helvetia» was the first ship operating on Lake Zurich
to be equipped with a deckhouse, cabins and salons. It also served as a template for the two steamers «Stadt Zürich» and «Stadt Rapperswil», which are still operating today.
zuerichseedampfer.ch
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Bilder: Archiv ZSG