Page 23 - ZSG Bordmagazin 2022
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                  Portrait
 Kein Tag vergeht, an dem die 55-Jährige Autorin nicht ein paar Seiten in die Tastatur tippt. Sie schreibt im Morgengrauen zum ersten Kaffee, im Zug unter- wegs zu Lesungen, in der Mittagspause, im Tram und in den Ferien – und vielleicht sogar im Schlaf. Denn es gibt viel zu tun. Pro Jahr erscheint ein Buch von ihr, abwechslungsweise aus den Reihen Flint/Cavalli, Meyer/Palushi oder ein Jugendbuch. In der Regel arbeitet sie an drei Projekten gleichzeitig: recherchiert für eine neue Geschichte, schreibt am aktuellen Buch und überarbeitet ein bereits geschriebenes Manuskript. «Schreiben ist für mich meist so spannend wie lesen. Schliesslich will ich ja auch erfahren, wohin meine Geschichte geht.»
Faszination Krimi. Petra Ivanovs Erfolgsgeschichte beginnt vor 16 Jahren. Als Mitarbeiterin eines Hilfswerkes wollte sie damals eine Geschichte über Menschen- handel und Zwangsprostitution erzählen, die aber niemanden gross interessiert hatte. «Da sie mir aber sehr wichtig war, überlegte ich, wie ich sie so verpacken kann, damit sie von der breiten Gesellschaft gelesen wird.» Das Resultat: «Fremde Hände», ihr erstes Buch. Dass sich die Autorin ausgerechnet dem Genre Krimi verschrieben hat, liegt daran, dass die ermittelnden Figuren ähnlich arbeiten, wie sie es als ehemalige Journalistin gewohnt war: Sie stellen Fragen, recherchieren, bohren nach, decken Geschichten auf. «Doch ein Artikel über ein schweres Thema wie beispielsweise Menschenhandel erreicht nie so viele Personen, wie wenn es in einen spannenden Krimi verpackt wird», sagt die gebürtige Zürcherin.
Der neuste Wurf. «Stumme Schreie» heisst das neuste Buch ihrer erfolgreichen Serie rund um das Ermittlerduo Regina Flint und Bruno Cavalli: Ein Polizist gerät unter Verdacht – eine interne Ermittlung steht an. Gleichzeitig kriecht das Verbrechen beunruhigend nah an die beiden heran: Ein Junge aus der Kita ihrer gemeinsamen Tochter ist verschwunden. Die gewalttätige Mutter des Kindes
ist ebenfalls nicht mehr aufzufinden, der Vater wettert von Kindesentführung, ist aber selbst eine zwielichtige Figur. Was steckt dahinter?
Beim Schreiben sei ihr immer wichtig, verschiedene Perspektiven ein- nehmen zu können und die unterschiedlichen Beteiligten und ihre Sichtweisen zu zeigen. So beleuchtet sie die rechtlichen Aspekte durch die Staatsanwältin Regina Flint, die Polizeisicht durch den Ermittler Cavalli, die Rolle der Kesb durch die Rolle einer zweifelnden Beamtin. «Hier hat mich interessiert, wie die Kesb beurteilt, was in dem speziellen Fall zu tun ist. Hinter einem Amtsentscheid stehen meist Menschen, die versuchen, ihre Arbeit gut zu machen. Und manchmal stehen sie Situationen ohnmächtig gegenüber, in die sie nicht eingreifen können.»
Tatort Zürich. Für Petra Ivanov war von Anfang an klar, dass sie Zürich als Schauplatz für ihre Krimis wählen würde: «Hier bin ich zuhause, kenne die Menschen und die Stadt, habe mein Netzwerk, das ich bei Fragen anzapfen kann.» So erkennt man Strassen und Plätze in ihren Beschreibungen wieder. In zwei ihrer Bücher spielt auch der Zürichsee eine kleine Rolle bei den Ermittlungen. Trotzdem handelt es sich bei ihren Büchern nicht um Regio-Krimis. Denn wo die Ermittler auf Spurensuche gehen, ist der ehemaligen Journalistin weitaus weniger wichtig als womit sie sich beschäftigen: Gewalt in der Familie, Menschenhandel, Flüchtlingskrise, Entwicklungshilfe. «Mich interessieren gesellschaftspolitische Themen, die in der Öffentlichkeit meist schwarz-weiss dargestellt werden – obwohl es nie so einfach ist.»
Petra Ivanovs Bücher sind für ihre präzisen Recherchen berühmt – sogar die Kripochefin der Zürcher Kantonspolizei liest ihre Krimis. Wäre die Autorin nicht auch eine gute Ermittlerin geworden? «Dafür bin ich viel zu ungeduldig.
Die arbeiten manchmal jahrelang an einem Fall und längst nicht immer führen ihre Bemühungen zum Ziel. Ich habe das Glück, am Ende meiner Arbeit ein Buch in den Händen zu halten.» rea
Literaturschiff mit Lesung von Petra Ivanov in Planung. Informationen unter zsg.ch/erlebnisschiffe
   ZURICH’S QUEEN OF CRIME
With 350,000 books sold, Petra Ivanov is Switzerland’s answer to Donna Leon. Her crime fiction novels are fast-paced, exiting, well-researched and all set in Zurich. One of the reasons Ivanov chose to focus on the crime genre is because the investi- gating characters operate in a similar way to how she used to work as a journalist – they ask questions, research, dig deep and uncover the stories behind the events. In her latest novel, «Silent Screams» a police- man is suspected of being involved in the disappearance of a boy.
petraivanov.ch
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Bilder: Dominik Baur




















































































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